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Travelling

Mein ewiges musikalisches Thema ist und bleibt anscheinend das Reisen. Auch wenn ich seit Jahren keinen nennenswerten Versuch unternommen habe, nur einen einzigen urlaubsreifen Fuß aus dieser Republik zu bewegen, umweht mich die weite Welt spürbar. Naja, nicht zuletzt, als ich den „westdeutschen Monsun“ der letzten Wochen hautnah erleben durfte.
Das echte Reisen ist ganz schön anstrengend. So, wie es früher funktioniert hat, will man heute wohl nicht mehr unterwegs sein: Auf dem Rücken 8-10kg vom Nötigsten in einem Rucksack und folglich alle paar Tage Wäsche waschen. Mit dem Schülerferienticket innerhalb von acht Stunden in überfüllten Zügen ohne Klimaanlage läppische 400km fahren. Wildes Campen auf irgendeiner Kuhweide, in einem winzigen Zelt, mit einem zusammengelegten Handtuch als Kopfkissen. 48-Stunden-Fahrten in Reisebussen. Am Ziel angekommen, mit einer handgeschriebenen Liste von Nummern zur Telefonzelle gehen und die Übernachtungsmöglichkeiten bei Freund*innen abchecken. Davor erstmal die Scheine, die man frisch gegen D-Mark eingewechselt hat, zu Münzen machen… Wow, DAS war Reisen! Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich dieses Jahr noch einen Versuch unternommen habe, mich in meinem Zelt wieder wohlzufühlen. Um fünf Uhr morgens entschied ich mich dann gegen das Zelt – das war auch der Zeitpunkt, zu dem ich meinen Artgenossen auf dem Campingplatz mitteilte, dass die Party jetzt besser beendet werden sollte.
Trotz allem hat es mich schon früh in meinem Leben wie magnetisch zum nächsten Bahnhof gezogen. Auch jetzt bleiben Bahnhöfe (/Busbahnhöfe) seltsam geheiligte Plätze für mich; Tore zur Welt; Orte der tausend Möglichkeiten; Welten für sich, die voller spannender Begegnungen sein können. Die sonstigen Gesetze der Sozialisierung sind dort außer Kraft gesetzt: Ich stehe am Bahnsteig im Nirgendwo und putze meine Zähne. Der einzige andere Mensch auf diesem Bahnhof ist jemand, den ich sonst vielleicht nicht beachten würde, aber in dieser transitären Einsamkeit kommen wir ins Gespräch. So unähnlich sind wir uns doch nicht.

Ich will Euch und Ihnen und mir selbst wieder viel Fernweh machen mit meinen nächsten Konzerten: Erstmal gibt es ein schönes Wiedersehen/ -hören mit Marc Brenken und Alex Morsey (19.8.). In unserem Programm „Travelling“ besinge ich in sechs verschiedenen Sprachen das große „Road-Movie-Gefühl“, von Paris über Rio de Janeiro, La Paz und die Karibik quer durch die USA.
Dann holen Aline Sardão und ich (als das Duo „Farofa“) am 25.8. die Vielfalt brasilianischer Musik mitten in den wuseligen Bochumer Hauptbahnhof. Bora!

17. August 2023